Muckefuck. Berlin. Links. Ungefiltert.

Freitag, 1. November 2024

Nächster Halt nach 3,50 Euro:
Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) will Ticketpreise erhöhen

Kalte Stadt, warmer Bus:
Kältebus der Berliner Stadtmission hilft wohnungslosen Menschen seit 30 Jahren

Gaebler in München:
Bausenator sucht auf Immobilienmesse nach willigen Investor*innen
Patrick Volknant
Guten Morgen,

schlechte Nachrichten für eure Bekannten, die sich einmal im Jahr bei euch melden, um für ihren Besuch in Berlin kostenlos unterzukommen. Aber natürlich auch für diejenigen unter euch, die nur ab und zu auf den öffentlichen Nahverkehr in der Hauptstadt ausweichen: Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) wird, so wie es aussieht, ab Januar die Preise erhöhen – und zwar um rund 7,5 Prozent. Besser also, den VBB direkt zu bestrafen, im Homeoffice zu bleiben und sich den »Muckefuck« zu Gemüte zu führen. Wenn ihr denn die Wahl habt.

Exakt 3,50 Euro kostet derzeit eine Fahrt mit U-Bahn, S-Bahn, Bus und Tram im Berliner Tarifbereich AB. Ganze 30 Cent mehr kommen 2025 nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur als freundlicher Neujahrsgruß obendrauf. Während demnach der Preis für ein Einzelticket auf 3,80 Euro steigt, dürfte sich auch der Preis für die beliebte Vier-Fahrten-Karte von 10,80 Euro auf 11,60 Euro erhöhen. Und nein, wenn euch das alles irgendwie bekannt vorkommt, erlebt ihr kein Déjà-vu. Die letzte Erhöhung führte der VBB zu Beginn dieses Jahres durch. Sie betrug durchschnittlich 6,7 Prozent.

Die erneut steigenden Gebühren kann Oda Hassepaß, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, nicht nachvollziehen. Zumindest bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG), sagt sie dem »Muckefuck«, müsse eigentlich noch genug Geld in der Tasche sein. »Bei der BVG sind die Einnahmen 2023 gegenüber 2022 gestiegen. Währenddessen wird die Leistung immer schlechter und trotzdem steigen jetzt schon wieder die Preise.« Dabei seien niedrige Gebühren im ÖPNV extrem wichtig, weil sie nicht nur dem Klima, sondern auch der sozialen Gerechtigkeit zugute kämen.

Am wichtigsten, ergänzt Hassepaß, sei es, die Preise für Abo-Tickets niedrig zu halten. Von ihnen würden rund 1,3 Millionen Menschen in der Hauptstadt profitieren. »Wer kein Auto hat, wird sich nicht für jede Fahrt ein Einzelticket holen, und umgekehrt sind es genau diese Sammeltickets, die am ehesten dazu verlocken, das Auto stehen zu lassen.« Kritik am SPD-Projekt 29-Euro-Ticket übt die Grünen-Politikerin trotzdem: »Menschen im Umland haben davon nichts, weil es nur für den Bereich AB gilt.« Wie auch die Berliner Linke hält Hassepaß stattdessen eine Subventionierung des bundesweiten Deutschlandtickets für klüger, weil effektiver und preiswerter.

Neben dem Berliner Fahrgastverband IBEG, der den Aufschlag als »aus der Zeit gefallen« bezeichnet, zeigt sich der Fahrgastverband Pro Bahn vom grundsätzlichen Zustand des Nahverkehrs alarmiert: Statt in nachhaltige Verbesserungen zu investieren, fokussiere sich der Senat auf »fragwürdige Projekte« wie die Tangentiale Verbindung Ost (TVO) im Osten der Stadt. Während das 29-Euro-Ticket die finanzielle Lage weiter verschärfe, fehle es überall an Ladesäulen, Schienennetzen und Haltestellen. Durch das schwarz-rote Haushaltschaos drohende Einsparungen würden »gravierende Auswirkungen auf die Mobilität und Lebensqualität der Berliner Bevölkerung« haben.

Offiziell beschlossen sind die Preiserhöhungen der VBB übrigens noch nicht: Die Verantwortlichen rechnen mit einer Entscheidung innerhalb der nächsten drei Wochen.

Bild des Tages

Trubel in Mitte: Um einen Brand mit vielen Verletzten zu löschen, war die Berliner Feuerwehr gestern mit rund 100 Kräften im Einsatz. | Foto: dpa/Christoph Soeder

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Auf eine ganz andere Art von Bus sind derweil immer noch viel zu viele Berliner*innen angewiesen: den Kältebus. Seit 30 Jahren klappert die Stadtmission nun schon bei niedrigen Temperaturen die Straßen der Hauptstadt ab, um Wohnungslose einzusammeln und in Notunterkünfte zu bringen. Die Probleme und Bedarfe der Menschen haben sich in diesen drei Jahrzehnten spürbar verändert, wie die Helfer*innen vor der nahenden Kältesaison mitteilen.

Ulrich Neugebauer, der den Kältebus 1993 mitinitiiert hat, zeigte sich gestern vor allem mit Blick auf wohnungslose Berliner*innen mit eingeschränkter Mobilität besorgt. Dabei geht es insbesondere um Menschen, die im Rollstuhl sitzen. »Die Kältehilfe in Berlin ist darauf nicht eingestellt«, sagt Neugebauer. Unterkünfte seien oft gar nicht oder nur begrenzt rollstuhlgerecht, zudem fehle es vorne und hinten an medizinischem Personal, das mit behinderten Menschen umgehen könne. Mehr über die Entstehungsgeschichte und die heutigen Herausforderungen des Kältebusses, der durch Spenden finanziert wird, erfahrt ihr von der Kollegin Lola Zeller.

Der für wohnungspolitische Fragen zuständige Senator, Christian Gaebler (SPD), trieb sich Anfang Oktober hingen auf Europas größter Immobilienmesse, der »Expo Real« in München herum. Die Wohnungsnot in der Hauptstadt will der schwarz-rote Senat vor allem durch Neubau bekämpfen und setzt dabei auch auf private Investor*innen. Ganz billig war die Beteiligung an der Messe allerdings nicht: 67.500 Euro hat das Land Berlin für seine Beteiligung springen lassen.

Unter anderem präsentierte Gaebler sein liebstes Reform-Baby, das neugeborene »Schneller-Bauen-Gesetz«, und suchte den Austausch mit investitionswilligen Unternehmen. Ihnen wollte der Senator laut Mitteilung »die Berliner Bedarfe beim Wohnungsneubau, der Sanierung der Wohnungsbestände, der Gewerbeansiedlung und der Schaffung der notwendigen Infrastrukturen« näherbringen. Wie unser Mietenexperte David Rojas-Kienzle berichtet, war die Investorensuche nicht sonderlich erfolgreich. Warum genau, lest ihr hier.

Wünscht euch im Gegenzug viel Erfolg bei Gestaltung eurer (womöglich gruseligen) Wochenendpläne:

Patrick Volknant
Auch wir Journalist*innen müssen unsere Bohnen verdienen:
Ich trage zur Kaffeekasse bei!

Was heute noch wichtig ist:

Berliner Linke: Gehen oder bleiben?

Mit Oliver Nöll verliert die Linkspartei einen versierten Bezirkspolitiker. Auf der anderen Seite wollen Reformwillige noch mehr Austritte verhindern. Sie wollen mehr Koordination unter Realo-Linken.

Marten Brehmer

S-Bahn mit leichter Besserung

Ausreichend Ersatzteile, ausreichend Fahrerinnen und Fahrer, zu viele Baustellen und Ausfälle. Im Vergleich zur BVG kann Chef Peter Buchner die S-Bahn Berlin GmbH nahezu als Vorzeigeunternehmen präsentieren.

Nicolas Šustr

Aufgemuckt

»Eigentlich müssten die Kältebusse Teil der Kältehilfe sein.«

Karen Holzinger
Berliner Stadtmission
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nd bleibt gefährdet

Und später:

Foto: dpa/Jens Kalaene


Donnerstag, 7. November, 18–20 Uhr

Rosa-Luxemburg-Stiftung
Straße der Pariser Kommune 8A
10243 Berlin
Eintritt frei, Bitte um Anmeldung

Buchvorstellung: »Jüdinnen und Juden in der internationalen Linken«

Am 9. November jährt sich zum 86. Mal das antisemitische Pogrom im Nazireich, das fast 100 Jüdinnen und Juden das Leben kostete und einen weiteren Schritt in Richtung auf die Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden in der Shoah darstellte. Ein Teil jener deutsch-jüdisch-sozialistischen Emigrantinnen und Emigranten, die den Nazi-Terror überlebten, wählte die DDR als ihre künftige politische Heimat, jene DDR, die vor 75 Jahren, am 7. Oktober 1949, gegründet wurde. Dieser Remigration aus dem Exil nach Deutschland, konkret in die DDR, sind eine Reihe von Beiträgen im vierten Band der Reihe »Jüdinnen und Juden in der internationalen Linken« gewidmet. Co-Herausgeber Bernd Hüttner, Historikerin Gisela Notz und der frühere Linke-Politiker Wolfgang Brauer sprechen über die Reihe und beleuchten die Biographien von Anna Seghers und von Helene Weigel. Moderiert wird die Buchvorstellung von Michaela Klingberg (Kulturforum der RLS) und von Florian Weis (Co-Herausgeber der Reihe).

Video des Tages

Die Sterne – Alles wird teurer | Quelle: YouTube/Die Sterne

»Europa to go« ist ein Podcast, der dich anlässlich der Europawahl 2024 ins »Herz« der EU mitnimmt. Begleite uns nach Brüssel und erfahre mehr über Institutionen wie das Europäische Parlament, was dort entschieden wird und warum dich das etwas angeht.

dasnd.de/europa-to-go

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