Muckefuck. Berlin. Links. Ungefiltert.

Freitag, 19. April 2024

Rüstungskonzern Serco betreibt auch Geflüchtetenunterküfte in Berlin:
Senat will von Geschäften mit dem Tod nichts gewusst haben.

Klage der Witwe von Hussam Fadl abgewiesen:
Kein Schadensersatz trotz fraglicher Beweislage.


Angebotsmieten in Berlin gehen durch die Decke:
Die Anmietung einer neuen Wohnung ist in einem Jahr um 18,3 teuerer geworden.
Moritz Lang
Guten Morgen,

seid dankbar, wenn ihr heute in einer Wohnung aufgewacht seid und auf freiem Fuß aus dem Haus gehen könnt: Nicht alle genießen diesen Luxus! Andere müssen abgekapselt von der Außenwelt oder eingesperrt in Flüchtlingsunterkünften oder Knästen leben. Und Deutschland ballert nicht nur 100 Milliarden Euro in die Remilitarisierung, sondern finanziert Rüstungsunternehmen auch auf anderem Wege: man lässt sie die Unterbringung von Geflüchteten organisieren.

Anfang des Jahres wurde bekannt, dass die Serco-Gruppe über hundert Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland von der European Homecare GmbH (EHC) übernimmt. 2022 hatte das Dienstleistungs-Konglomerat schon die ORS Deutschland GmbH (ORS) geschluckt, welche auch Geflüchtetenunterkünfte betreibt. Eine schriftliche Anfrage von Elif Eralp (Linke) an den Berliner Senat hat nun ergeben, dass sich davon auch vier in Berlin befinden.

Pikant ist, dass Serco in klassischer Konglomerats-Manier an geflüchteten Menschen praktisch entlang der gesamten Fluchtroute verdient: Von den Kriegen, vor denen Menschen fliehen, bis zum Schluss bei Unterbringung oder Inhaftierung. Das Unternehmen erwirtschaftete laut Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) in 2021 knapp ein Drittel seines Geldes mit Rüstung. Bei 5,7 Milliarden Euro Umsatz im vergangenen Jahr schlappe 1,9 Milliarden Euro. Bis dahin war das Unternehmen auch am britischen Atomwaffenprogramm beteiligt und arbeitet heute noch mit dem US-Militär an der Entwicklung neuer Waffen und dem Management der US-Luftwaffe in Nahost zusammen.

Die Frage, wie es sein kann, dass ein Händler des Todes Geflüchtetenunterkünfte betreibt, umgeht der Senat, in dem er sich nur auf die EHC bezieht: Die GmbH sei auf soziale Dienstleistungen spezialisiert, Beteiligung an Rüstung und Abschiebegewahrsam sei nicht bekannt. Damit hat der Senat auch recht, allerdings muss die EHC im Kontext des Mutterkonzerns gesehen werden. Denn Waffenhandel ist nicht das einzige verwerfliche Geschäft des Milliardenunternehmens. Serco betreibt unter anderem auch »Insel-Abschiebegefängnisse« in Australien, wo tausende Asylsuchende, inklusive Kindern, auf kleinen Inseln inhaftiert und jahrelang einfach verwahrt werden wie im Knast.

Wie in Berlin mit dem Betreiber umgegangen wird und welche Fragen die außerordentliche Kündigung der Verträge mit der ORS durch das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) weckt, lest ihr bei meinem Kollegen Patrick Volknant.

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Vor der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses wurde heute für den Erhalt des queeren Wohnprojekts »Tuntenhaus« demonstriert. | Foto: dpa/Soeren Stache

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Auch wenn die Gewalt gegen Geflüchtete mal nicht privatisiert, sondern noch vom Staat selbst übernommen wird, ist trotzdem nicht mit mehr Transparenz oder Konsequenzen zu rechnen. Die Klage von Zaman Gatea, der Witwe des 2016 vor einer Geflüchtetenunterkunft in Moabit von Polizisten erschossenen Hussam Fadl, wurde vom Landgericht Berlin abgewiesen. Sie hatte Schadensersatz für den Unterhaltsausfall für sie und ihre drei Kinder gefordert.

Die Polizei war zu der Unterkunft gerufen worden, da ein bewohner die Tochter von Fadl sexuell missbraucht hatte. Nach der Festnahme des Täters lief Fadl auf diesen zu, worauf vier Schüsse vielen. Die Todesschützen behaupten, Fadl sei mit einem masser auf den Täter zugestürmt, obwohl sich weder seine Fingerabdrücke auf der angeblichen Waffe finden ließen, noch andere Zeugen oder Polizisten ein Messer in seiner Hand erkannt hatten. Wie die zuständige Richterin zuvor schon im Verfahren auftrat und was die weiteren Aussichten der Klägerin sind, lest ihr bei meinem Kollegen David Rojas Kienzle.

Die Zustände in Berlins Flüchtlingsunterkünften sind katastrophal. Und auch wem es formal erlaubt ist, in eine eigene Wohnung zu ziehen, wartet darauf auch mal mehrere Jahre. Denn die Angebotsmieten in der Hauptstadt steigen weiter ins Unermessliche: Eine Wohnung neu anzumieten war 2023 im Schnitt ganze 18,3 Prozent teurer als noch 2022, 13,60 Euro pro Quadratmeter fallen im Schnitt nun an. Das ergab der neu erschienene Wohnungsmarktbericht der Berlin Hyp und des Maklerhauses CBRE.

Zwar fließen in den Bericht auch absurd hohe Neubaumieten mit ein. Dennoch sei dieser extreme Anstieg nur möglich, da die Mietpreisbremse »im großen Stil« umgangen wird, so die Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins, Wibke Werner. Wieso weder teurer Neubau, noch die Verlängerung der Bremse allein vor enormen Preisanstiegen schützen, hat David Rojas Kienzle für euch aufgeschrieben.

Entschuldigt sich für die vielen schlechten Nachrichten am Morgen:
Moritz Lang
Auch wir Journalist*innen müssen unsere Bohnen verdienen:
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Weil das alte Umspannwerk an seine Kapazitätsgrenze stößt, könnte das schnelle Wachstum der Stadt Oranienburg gebremst werden. Das Problem wurde zu spät erkannt. Mit der Energiewende hat es nur entfernt zu tun.

Andreas Fritsche

Tesla: Kampf um die Kollegen

Die Gewerkschaft IG Metall hat erklärt, eine Mehrheit des Betriebsrats gegen den von Tesla geplanten Stellenabbau gewinnen zu wollen. Derweil meldete die Firma 300 Leiharbeiter*innen ab.

Christian Lelek

Suizide hinter Gittern

Gefangene, die versuchen, sich das Leben zu nehmen, sind jung und häufig ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Keinen Überblick hat der Berliner Senat über Tode und Suizide im Gewahrsam.

Christian Lelek

Aufgemuckt

»Hier wird aus menschlichem Leid maximal Profit geschlagen.«

Elif Eralp
Migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus
Kapital & Arbeit

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