Muckefuck. Berlin. Links. Ungefiltert.

Mittwoch, 10. Juli 2024

Wegen rassistischer Beleidigung und Volksverhetzung verurteilt:
Polizistin kommt vor Gericht nicht mit »Ghettosprache« durch

Verharmlosung von Neonazi-Gewalt:
Antifaschist*innen kritisieren Berliner Polizei


In die Enge getrieben:
Grundschüler*innen müssen Räume an Jugendkunstschule abgeben
Lola Zeller
Guten Morgen,

es ist schwer zu glauben, aber die lustigsten Szenen des gestrigen Tages haben sich im Gerichtssaal ergeben. Dort, wo normalerweise zwischen Paragrafen und Fachgesimpel noch die aufmerksamsten Zuhörer*innen den Faden verlieren, wurde gestern das Thema »Ghettosprache« debattiert. Wollen die Gerichte etwa ihr verstaubtes Image loswerden und auch »die Jugend von heute« ansprechen?

Nein, so weit geht es dann doch nicht. Eigentlich handelt es sich bei der »Ghettosprache« nur um eine faule Ausrede einer Polizistin, der von einem Kollegen vorgeworfen wird, ihn mehrmals während der gemeinsamen Polizei-Ausbildung rassistisch beleidigt zu haben. So habe sie ihm gegenüber eine »Affengeste« gezeigt und gesagt, er sei »asozial« und solle Deutsch lernen. Das sei aber gar nicht rassistisch, so die Polizistin, denn ihr Kollege sei »in Ghettosprache ausgerastet«, darauf hätten sich ihre Aussagen bezogen.

Das von der Ausrede unbeeindruckte Gericht verurteilte die Polizistin wegen rassistischer Beleidigung und Volksverhetzung zu 120 Tagessätzen á 70 Euro. Dennoch musste erst einmal ausdisktutiert werden, was überhaupt »Ghettosprache« ist, berichtet meine Kollegin Jule Meier, die vor Ort im Verhandlungssaal war. Der geschädigte Polizist wiederum habe erst in der Verhandlung überhaupt davon erfahren, dass er angeblich »Ghettosprache« spricht, und reagiert darauf mit Unverständnis. »Warum Ghetto? Weil ich schwarz bin? Ich komme nicht mal aus dem Ghetto, ich komme aus Steglitz.«

Seine verurteilte Kollegin drückt selbst auf die Tränendrüse. Die studierte Biotechnologin sei während der Polizei-Ausbildung für 30- bis 39-Jährige von den anderen Anwärter*innen gemobbt worden. »Die Schüler haben mich aggressiv diskriminiert. Zum Beispiel habe ich einmal ein Toastbrot getoastet und es hieß, der Geruch sei schlimm«, sagt sie vor Gericht.

In einem anderen Fall habe sie befürwortet, dass die Vorgaben zur Abdeckung von Tattoos geändert wurden, ein anderer Polizeianwärter mit einem »Fuck all bitches«-Tattoo hingegen nicht. Seit diesem Vorfall sei die Polizistin nicht mehr auf Partys eingeladen worden. Wer sich in der Schlagstock-Schlange vorgedrängelt und sich beim Mittagessen angegrunzt hat, erfahrt ihr in Jule Meiers Bericht über die Verhandlung.

Bild des Tages

Endlich wieder Hitze! Bei dem Wetter sind die Berliner Sommerbäder voll und die Arbeit im Büro fällt zunehmend schwer. | Foto: dpa/Annette Riedl

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Während sich die Berliner Polizei mit Rassismus in der Polizei-Schule auseinandersetzt, setzen sich Antifaschist*innen weiterhin mit dem Neonazi-Angriff am Ostkreuz auseinander. Sie vermuten eine Verbindung zur Nationalrevolutionären Jugend (NRJ), der Jugendorganisation der rechtsextremen Partei Dritter Weg. Gleichzeitig kritisieren sie den Umgang mit dem Vorfall durch die Berliner Polizei, die in einer Pressemitteilung von einer »körperlichen Auseinandersetzung zwischen zwei Personengruppen« spricht. Diese Darstellung »verharmlost die Gewalt militanter Neonazis«, sagt das Bündnis »Nach den Rechten schauen« in einer Pressemitteilung.

Außerdem habe laut Bündnis niemand sehen können, dass anwesende Polizist*innen während des Angriffs in die Situation eingegriffen hätten. Die Polizei wiederum sagt, dass eine Polizistin in der Situation selbst verletzt worden sei. Wie das Register Charlottenburg-Wilmersdorf und der Linkspolitiker Ferat Koçak auf die Geschehnisse reagieren, hat unser Autor Felix Schlosser hier zusammengetragen.

Kleiner Sprung vom Ostkreuz in Friedrichshain zur Sonnenallee in Neukölln: Hier treiben die bezirklichen Sparvorgaben die anwohnenden Kinder wortwörtlich in die Enge. Denn anscheinend sind die Grundschulen im Bezirk überdurchschnittlich geräumig. Deswegen müssen die Eduard-Mörike-Grundschule und die Rixdorfer Grundschule zukünftig ihre Räume mit der Jugendkunstschule (JKS) teilen, für die der Bezirk nach Kündigung des Mietvertrags durch den Eigentümer nun keine neuen Räume anmieten wird.

»Die Senatsverwaltung erlaubt nicht die Anmietung von neuen Räumen, sofern Räume da sind. Und das ist bei uns der Fall«, sagt Bezirksstadträtin Karin Korte (SPD) zu »nd«. Das Vorgehen löst bei Eduard-Mörike-Grundschule Wut und Empörung aus. Denn es sei keineswegs so, dass dort Räume ungenutzt seien, die mal eben abgegeben werden könnten, sagt Lehrer Christian Jessen. So müsse nun die Bibliothek umziehen, ob sie aber in vollem Umfang woanders unterkommen kann, ist noch unklar.

Zusätzlich müsse alles ganz schnell gehen: Am 29. Mai sei die Schule darüber informiert worden, ab dem 1. September Räume abgeben zu müssen. »Das ist ein stinkender Fisch, der uns vor die Füße geworfen wird«, sagt Jessen. Um gegen die Bezirkspläne zu protestieren, haben sich am Montag Grundschüler*innen, Lehrer*innen und Eltern zu einer Kundgebung vor dem Rathaus Neukölln zusammengefunden. Kollege David Rojas Kienzle war vor Ort. Alle Infos rund um die Vorgänge findet ihr hier.

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Lola Zeller
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Aufgemuckt

»Am Ostkreuz wurden Menschen angegriffen, weil sie sich (vermeintlich) einer Demonstration gegen rechte Gewalt anschließen wollten und nicht, weil sie nach einer Auseinandersetzung gesucht haben.«

Bündnis »Nach den Rechten schauen«
Wir haben schon mal einen Staat ruiniert

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