Muckefuck. Berlin. Links. Ungefiltert.

Donnerstag, 25. Juli 2024

Stadt macht wütend:
Studie zeigt, dass Berliner Stadt-Ameisen besonders aggressiv sind

S-Bahn macht wütend:
Protestschreiben gegen Eingriff in Denkmal der im NS ermordeten Sinti und Roma


Wegwerfen macht wütend:
Netzwerk »Repami« will den Weg zur Reparatur einfacher machen
Lola Zeller
Guten Morgen,

Berlin macht aggressiv! Und zwar nicht nur die menschlichen Bewohner*innen, die sich Tag ein Tag aus in volle und verspätete Bahnen quetschen, zig unfertige Baustellen durchradeln, mit Kinderwägen nicht durch zugeparkte Straßen durchkommen, keine Wohnung, keinen Kitaplatz und kein billiges Bier finden. Und ständig dieser Lärm!

Nein, auch den kleinsten Berliner*innen platzt in der Stadt häufiger der Kragen, je weniger Grün und mehr Beton sie dort finden. Eine Studie eines Forschungsteams der Freien Universität (FU) Berlin und des Leibniz-Instituts für Gewässerforschung und Binnenökologie (IGB) zeigt: Berliner Ameisen verteidigen ihre Blattläuse in städtischen Gebieten aggressiver. Die Studie wurde im Juli im Fachmagazin »Ecology and Evolution« veröffentlicht, zuerst berichtete der »Tagesspiegel«.

Wen wundert das bei all der Wut und der Konkurrenz um den begrenzten Platz in der Stadt? So, wie in der vollen Lieblingskneipe um jeden zur Verfügung stehenden Stuhl gerungen wird, so wächst mit zunehmender Bebauung der Stadt auch bei den kleinen Insekten die Konkurrenz um Grünflächen und Nahrung.

Die Wissenschaftler*innen von FU und IGB haben Gartenameisen und die Verteidigung der Blattläuse auf Rainfarn-Pflanzen in verschiedenen Zonen in Berlin untersucht, etwa im Wald in Wannssee oder im Park am Nordbahnhof. Die Ameisen halten sich die Blattläuse quasi als Nutzvieh. Als Dank für die Verteidigung vor Fressfeinden lassen sich die Läuse von ihren Haltern melken, bieten den Ameisen so schmackhafte Nahrung. Die Forscher*innen simulierten Angriffe auf die Blattläuse und stellten fest, dass die Ameisen in einer dichter bebauten und versiegelten Umgebung aggressiver darauf reagierten.

Als mögliche Erklärung verweisen sie auf den Kampf um Flächen. Weil die Zerstückelung der Lebensräume die verfügbaren Nahrungsgebiete verkleinert, verstärkt die wachsende Urbanisierung wahrscheinlich die Konkurrenz um begrenzte Ressourcen und fördert so Aggressionen zwischen rivalisierenden Kolonien, schreiben die Wissenschaftler*innen in der Studie. Außerdem könnten Stressfaktoren wie das künstliche Licht und die erhöhten Tempreaturen in der Nacht dazu führen, dass mehr Konkurrenz durch sich überschneidende Aktivitätszeiträume von Tieren entsteht.

Bild des Tages

Puppen-Party im Lafayette: Weil das Luxus-Kaufhaus schließt, sind die Schaufensterpuppen endlich unter sich und können nackig das Ende ihrer Arbeit feiern. | Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

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Kein Platz in der Stadt und keine Ruhe in der Nacht: Auch beim »Muckefuck«-Team führt das hin und wieder zu Aggressionen. Die Konkurrenz um Flächen in Berlin ist derweil allgegenwärtig: Sei es Wohnraum versus Gewerbeflächen, Artenschutz versus Neubau, Clubs versus A100, und so weiter und so fort. Ein besonders brisanter Fall ist das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas im Berliner Tiergarten und die Führung der geplanten S-Bahnlinie 21 unter diesem hindurch.

Wie an dieser Stelle bereits berichtet hat die Roma-Community starke Kritik an dem Bauvorhaben. Im Rahmen des laufenden Planfeststellungsverfahrens wurde deshalb ein Protestschreiben als Einwendung gegen die aktuellen Pläne verfasst und von zahlreichen Menschen und Einrichtungen unterschrieben, darunter die Witwe und die Töchter des verstorbenen Urhebers des Denkmals, Dani Karavan, die Selbstorganisation Roma Trial und die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas.

»Das Bauvorhaben verletzt die Würde des Ortes als zentrale Gedenkstätte, greift das Gedenken und die Gedenkstättenarbeit an und entblößt ein politisch skandalöses Versagen der politischen Gedenkkultur in Deutschland«, heißt es in dem Schreiben. Kritisiert wird dort unter anderem, dass Bäume gefällt werden sollen, die ein Teil des Denkmals seien. »Die Gedenkstätte würde einen irreversiblen Schaden nehmen.« Unser Redakteur Christian Lelek hat alle Infos zu den Plänen und die Kritik hier zusammengetragen.

Von irreversiblen Schäden will hingegen das Netzwerk »Repami« nichts wissen. Eine neuen Internetseite soll es Berliner*innen ab sofort ermöglichen, unkompliziert gewerbliche Reparaturbetriebe und ehrenamtliche Reparaturbetriebe zu finden. Dadurch soll verhindert werden, dass noch zu rettende Gegenstände entsorgt werden.

»Indem wir defekte und beschädigte Gegenstände reparieren, anstatt sie wegzuwerfen, werden wir einen ganz entscheidenden Beitrag für unsere Zukunft und die unserer Kinder und Kindeskinder leisten«, sagt Carola Zarth, Präsidentin der Handwerkskammer Berlin. Neben der Handwerkskammer beteiligen sich auch die Senatsverwaltung für Umwelt, die Berliner Stadtreinigung (BSR) und die gemeinnützige Stiftung »Anstiftung« an dem Projekt. Kollege David Rojas Kienzle war vor Ort bei der Vorstellung des Netzwerks. Seinen Bericht findet ihr hier.

Verteidigt besonders aggressiv Gehwege gegen abgestellte E-Scooter:

Lola Zeller
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Protestschreiben gegen den Eingriff in das Denkmal für die im NS ermordeten Sinti und Roma

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