Muckefuck. Berlin. Links. Ungefiltert.

Wochentag, 31. Juli 2024

Wer liebt, gibt Raum:
Der »Muckefuck« verabschiedet sich in die einmonatige Sommerpause

Es geht noch schlimmer:
Berliner Schüler*innen mit neuen Tiefstwerten bei bundesweitem Vergleichstest

Spuren der Silvesterdebatte:
»Outreach« veröffentlicht Jahresbericht zu benachteiligten Jugendlichen
Patrick Volknant
Guten Morgen,

es liegt nicht an euch, es liegt an uns. Für einige von euch mag es überraschend kommen nach der schönen Zeit, die wir miteinander verbracht haben, und uns ist klar, dass ihr ein bisschen brauchen werdet, um das sacken zu lassen. Doch: Der »Muckefuck« braucht eine Pause. Das bedeutet nicht, dass es vorbei ist! Ab September sind wir wieder für euch da. Solltet ihr den »Muckefuck« in der Zwischenzeit gegen den ein oder anderen morgendlichen Sommercocktail tauschen, würden wir es euch natürlich verzeihen.

Zuerst aber noch einmal Dienst nach Vorschrift. Denn während sich euer Lieblings-Berlin-Newsletter noch alle Türen offenhält, macht die Postbank endgültig Schluss:
Bis 2026 will das Unternehmen laut »B.Z.« fast die Hälfte(!) seiner Filialen in Berlin und Brandenburg schließen. Das mag, je nach eigenem Bankdienstleister, erst einmal nicht weiter schlimm klingen. Mit dem Beschluss der Postbank sinkt allerdings nicht nur die Zahl zur Verfügung stehender Geldautomaten, sondern auch die Abdeckung für Postdienstleistungen in der Region. Beides lässt mancherorts ohnehin schon zu wünschen übrig.

»Es ist schon absurd, dass wir als Linke jetzt auch noch für Bankfilialen kämpfen müssen«, sagt Katalin Gennburg, stadtpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, dem »Muckefuck«. Letztlich gehe es aber um die grundlegende Darseinsvorsorge, die gerade in den Berliner Randbezirken zunehmend vernachlässigt werde. »In Treptow oder Oberschöneweide gibt es Menschen, die sich fragen, wo sie überhaupt ihre Rente abheben können. Da muss man sich nicht wundern, wenn die Leute sauer werden.«

Gleiches gilt der Linke-Politikerin zufolge für verfügbare beziehungsweise eben nicht mehr verfügbare Postfilialen. Die Wege, um das eigene Paket abzuholen, würden wieder einmal weiter. »Die Liberalisierung der Post war ein krasser Kardinalfehler«, führt Gennburg aus. »Es blutet einem das Herz, wenn historische Postfilialen in die Hände von Investoren fallen.« In Zeiten des Online-Handels verstopfte der Lieferverkehr zudem die Berliner Straßen, ein neues Infrastruktur-Konzept gebe es nicht.

Schuld daran, dass immer mehr Berliner Kieze als unterversorgte Gebiete angesehen werden müssten, sei nicht zuletzt die passive Politik des Senats. »Das Thema darf nicht weiter bagatellisiert werden«, fordert Gennburg. Das Land Berlin sei durchaus in der Lage, Druck auf die Entscheidungsträger*innen im Bund auszuüben. Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD), so Gennburg, könne etwa das Gespräch mit Bundeskanzler und Parteikollegen Olaf Scholz suchen oder einen Brief schreiben. Gute Idee, findet der »Muckefuck«. Briefkästen scheint es ja noch genug zu geben.

Bild des Tages

Rolands unter sich: Der Berliner Schlagersänger Roland Kaiser jüngst bei der Vorstellung seiner Wachsfigur im Madame Tussauds | Foto: dpa/Sebastian Willnow

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In einem ähnlich schlechten Zustand wie das Versorgungsnetz der Deutschen Post befindet sich derweil das Bildungssystem in der Hauptstadtregion. Wie die frisch veröffentlichten Ergebnisse der bundesweiten Vergleichsstudie »Vera« zeigen, schneiden Berliner Grundschüler*innen schlechter ab als die anderer Bundesländer. Ganze 43 Prozent der Drittklässler*innen können demnach nicht die Mindestanforderungen für Lesen und Zuhören erfüllen. 46 Prozent sind es im Bereich Mathematik – also sogar noch mehr, wenn der »Muckefuck« richtig gezählt hat.

Der historische Tiefstand, der sich aus den Testergebnissen ergibt, besorgt nicht zuletzt Marianne Burkert-Eulitz. Die Bildungs-Expertin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus fordert eine Stärkung der Berliner Grundschulen. »Gerade an Grundschulen in Außenbezirken und besonders belasteten Kiezen fehlen Lehrkräfte. Dafür ist die Senatorin mit ihrer Verweigerung, Lehrkräfte zu steuern, direkt verantwortlich«, kritisiert sie in einer Mitteilung am Dienstag. Unser äußerst gebildeter Bildungsredakteur Marten Brehmer hat die Studienergebnisse und die sich daraus ergebenden Fragen für euch zusammengefasst.

Die Sorgen, die ihr euch jetzt vielleicht um die jungen Berliner*innen macht, dürften leider auch nicht kleiner werden, wenn ihr einen Blick in den neuen Jahresbericht von »Outreach« werft. Der Freie Träger für Jugendsozialarbeit sucht laut eigenen Angaben »sozial und ökonomisch marginalisierte Jugendliche« dort auf, wo sich junge Menschen eben so aufhalten (oder im hippen Sprech »abhängen«): In Parks, auf öffentlichen Plätzen oder eben einfach auf der Straße. Mit Blick auf das vergangene Jahr 2023 stellt die Organisation nun fest: Die Lage für benachteiligte Jugendliche hat sich verschlechtert.

Die Debatten um vermeintlich durch Migrant*innen vorangetriebene Jugendgewalt, nach der man mittlerweile die Uhr stellen kann, wenn es Richtung Jahreswechsel geht, haben offenbar ihre Spuren bei den jungen Berliner*innen gelassen. Zudem bewegt sie der Krieg in Nahost: Viele der Jugendlichen haben Verwandte in Israel oder Gaza, wie dem Bericht von »Outreach« zu entnehmen ist. Was die Sozialarbeiter*innen von der Politik im Umgang mit benachteiligten Jugendlichen fordern, weiß unsere Autorin Jule Meier.

Wünscht euch ewige Jugend und einen schönen Sommer:

Patrick Volknant
Auch wir Journalist*innen müssen unsere Bohnen verdienen:
Ich trage zur Kaffeekasse bei!

Was heute noch wichtig ist:

Notarztpraxen in Berliner Krankenhäusern werden stärker genutzt

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David Rojas Kienzle

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Auf einem Wahlplakat wirbt die AfD Frankfurt (Oder) womöglich mit dem Hitlergruß. Die Linke hat Anzeige wegen des Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen gestellt.

Christian Lelek

Limopreise in Berlin explodieren

Im Vergleich zum Vorjahresmonat sind die Verbraucherpreise in Berlin und Brandenburg steigen moderat. Sinkende Energie- und Lebensmittelpreise bremsen die Teuerung.

David Rojas Kienzle

Aufgemuckt

»Die Kinder, die jetzt die dritte Klasse besuchen, waren von den Kita-Schließungen betroffen.«

Franziska Brychcy
Bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus
Wir haben schon mal einen Staat ruiniert

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Sebastian Weiermann

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Und später:

Foto: dpa/Cannes Film Festival/Handout

Heute, 31. Juli um 21:30 Uhr
KuBiZ
Bernkasteler Str. 78, 13088 Berlin
Eintritt frei

Open-Air-Kino: »The Lobster« (2015)

Zum Abschied in die Sommerpause haben wir noch einen Filmtipp für heute Abend parat. Das Kultur und Bildungszentrum Raoul Wallenberg (KuBiZ) zeigt »The Lobster« von Yorgos Lanthimos: die parabelhafte Vision einer nahen Zukunft, in der die Gesellschaft nur noch aus Paaren besteht. Alleinstehende werden in Hotels kaserniert, wo sie sich innerhalb von 45 Tagen neu »verpartnern« müssen, andernfalls werden sie in Tiere verwandelt. Als dem Protagonisten am letzten Tag seines Aufenthalts die Flucht in die umliegenden Wälder gelingt, gerät er in eine nicht minder rigide Gegengesellschaft, die mit drakonischen Strafen auf ein strenges Single-Dasein pocht. Vor dem Open-Air-Kino gibt es vegane Küfa ab 20:30 Uhr. Der Film dauert 105 Minuten.

Video des Tages

Reinhard Mey & Hannes Wader – Gute Nacht, Freunde | Quelle: YouTube/Lerche48 al. Werner S.

Als Universalgelehrter der nd.Redaktion weiß der Wissenschaftsredakteur Dr. Steffen Schmidt auf fast jede Frage eine Antwort – und wenn doch nicht, beantwortet er eben eine andere. Alle Folgen zum Nachhören auf

dasnd.de/schmidt

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