Muckefuck. Berlin. Links. Ungefiltert.

Dienstag, 22. Oktober 2024

Auszug wegen Radweg?
Bezirk und Senat duellieren sich an der Kantstraße in Charlottenburg

Denkmalwürdige Platten:
80er-Plattenbauten in der Spandauer Vorstadt kommen unter Denkmalschutz

Preig AG auf Einkaufstour:
Ein neuer Akteur auf dem Wohnungsmarkt beunruhigt Berliner Mieter*innen
Patrick Volknant
Guten Morgen,

aufmerksamen Leser*innen des Newsletters dürfte es mittlerweile aufgefallen sein: In der Berliner Verwaltung läuft nicht immer alles glatt. Was nun allerdings diverse Hauptstadtmedien, und davon als erstes das Boulevardblatt »B.Z.« berichten, das lässt sogar den abgestumpften »Muckefuck« aufhorchen: Weil Senat, Bezirk und Feuerwehr über einen Radweg streiten, soll hunderten Anwohner*innen in Charlottenburg-Wilmersdorf der Zwangsauszug aus ihren Wohnungen drohen. Wie konnte es soweit kommen? Haben wir uns in Sachen Verdrängung zu sehr auf Berliner Miethaie konzentriert und dabei den Faktor Radweg außer Acht gelassen?

Klar ist schon mal: Bezirksstadtrat Christoph Brzezinski (CDU) hat die Faxen dicke. Seit nunmehr vier Jahren, teilt der in einem dem »Muckefuck« vorliegenden Schreiben an die Senatsverkehrsverwaltung mit, führe ein Pop-Up-Radweg zwischen Gehweg und Parkspur zu »sehr ernsthaften Gefahren für Leib und Leben« auf der Charlottenburger Kantstraße. Durch den Radweg fehle es der Berliner Feuerwehr an Platz, um im Brandfall benötigte Leiterfahrzeuge aufzustellen, um die oberen Geschosse der Gründerzeitbauten zu erreichen. Konkret bedeutet das: Für die Nutzung ab dem dritten Geschoss aufwärts fehlen die eigentlich notwendigen bauordnungsrechtlichen Voraussetzungen. Sie dürfen eigentlich nicht bewohnt werden.

»Nicht mehr zählbare Gespräche«, schreibt der CDU-Politiker, seien bereits zwischen Bezirk, Senat und Feuerwehr geführt worden, um eine Lösung für den Zustand zu finden – jedoch ohne Ergebnis. »Dies kann unsererseits nicht länger hingenommen werden.« Bis zum Ende des Monats gibt der Bezirk dem Senat nun Zeit, um nachvollziehbar mitzuteilen, welche Maßnahmen ergriffen werden sollen, damit das Dilemma ein Ende findet. Es kommt also zum Showdown: Die neuesten Ausgaben der BauO Bln (Bauordnung für Berlin) liegen entsichert im Waffenholster und zwischen den Duellierenden weht ein Steppenläufer über die Kantstraße.

»Dass die Kommunikation zwischen Senat und Bezirk zu wünschen übrig lässt, ist leider nichts Neues«, gesteht Jun Chen, Bau-Experte der Grünen-Fraktion in der Charlottenburger Bezirksverordnetenversammlung (BVV), dem »Muckefuck«. Was mit anderen Bezirken problemlos möglich sei, scheine dem Senat im Austausch mit der Verwaltung in Charlottenburg-Wilmersdorf erstaunlich schwer zu fallen. Chen verteidigt das Vorgehen der Bezirksamts: »Wenn der Senat von alleine nicht reagiert, muss man so etwas halt raushauen.«

Für eher unwahrscheinlich hält der Grünen-Politiker, dass das Duell an der Kantstraße tatsächlich eskaliert und Anwohnende wegen einer Nutzungsuntersagung ihre Wohnungen werden verlassen müssen. »Das wäre ein Super-Gau, den sich die Politik gerade bei diesem angespannten Wohnungsmarkt nicht leisten kann«, sagt Chen. Er gehe davon aus, dass die Verkehrsverwaltung zeitnah reagiere.

Wie BVV-Mitglied und Grünen-Verkehrspolitikerin Petra Nelken dem »Muckefuck« mitteilt, bietet der Bezirk an, bei einem Vor-Ort-Termin die Aufstellmöglichkeiten gemeinsam mit der Feuerwehr zu testen. Im Raum stehe die Überlegung, den Radweg auf die Straße, links vom Parkstreifen zu tauschen. Nur wäre das wiederum für die Radfahrer*innen gefährlicher als bisher. Andererseits: Es wäre auch nicht das erste Mal unter dem schwarz-roten Senat, dass ein Radweg vollständig gestrichen wird. Der »Muckefuck« bleibt für euch dran!

Bild des Tages

Blaues Blut in blauen Gewändern: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender mit König Frederik X. und Königin Mary aus Dänemark am Montag in Berlin | Foto: dpa/Markus Schreiber

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Zumindest erst mal nicht vom Abriss bedroht sind die Plattenbauten in Berlins Spandauer Vorstadt: Seit dem gestrigen Montag stehen die in den 80er Jahren errichteten Wohn- und Geschäftshäuser im Bezirk Mitte unter Denkmalschutz – ein Status über den sich andere Gebäude in der Hauptstadt (wie etwa das SEZ in Friedrichshain) sicherlich freuen würden.

Was einst im Kiez als schnelles Mittel gegen die herrschende Wohnungsnot hochgezogen wurde und einen eher schlechten Ruf innehatte, genießt heute hohes Ansehen. »In den 1980er Jahren wurde die behutsame Erneuerung der historischen Stadt international zum Leitbild einer neuen Bau- und Planungspraxis«, lobt Christoph Rauhut, Direktor des Landesdenkmalamts. Was genau das bedeutet und was die Bauten im einzelnen für den Denkmalschutz qualifiziert, weiß unser Stadtentwicklungsexperte David Rojas Kienzle.

Der für viele Berliner*innen relevantere Schutz bleibt allerdings der Mieterschutz, um den es in Berlin wie im Bund durchaus besser bestellt sein könnte. Und so fürchten sich neben den Anwohnenden in der Kantstraße auch Mieter*innen vor Verdrängung, deren Wohnungen von der aufstrebenden Plutos Real Estate Investment Group AG (Preig) aufgekauft wurden. Obwohl entsprechende Maßnahmen durch den neuen Eigentümer noch gar nicht eingeleitet wurden.

Die breit angelegte Aufkaufstrategie der Preig AG schürt die Angst vor Mieterhöhungen durch Modernisierung – und vor allem vor Umwandlungen der Mietwohnungen in Eigentum. Für letztere hat sich der Vorstandsvorsitzende des Immobilien-Unternehmens bereits vor Jahren in einem offenen Brief ausgesprochen. Unser Autor Peter Nowak hat mit den Mieter*innen gesprochen, die sich nun organisieren wollen. Welche Herausforderungen ihnen gegenüberstehen und was der zuständige Bezirksstadtrat in Mitte von der Preig AG hält, erfahrt ihr hier.

Es grüßt aus Berlins wildem Osten:
Patrick Volknant
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