Muckefuck. Berlin. Links. Ungefiltert.

Donnerstag, 29. Juni 2023

Mischa Pfisterer
»Muckfuck«-Spezial: »Hart aber Herzlich«:
Zwei Stunden Reinickendorf mit Jörg Stroedter und Iris Spranger

Verfassungstreue-Check bestanden:
Expert*innenkommission gibt grünes Licht für Vergesellschaftung


Das ganze System angreifen:
Kundgebung gegen sexualisierte Gewalt im Showbusiness fokussiert sich nicht auf einzelne Täter
Guten Morgen,
der »Muckefuck« kann ja nicht nur Innenstadt, auch die sogenannten Außenbezirke liegen ihm am Herzen. Reinickendorf zum Beispiel. Da berichten wir zwar gern drüber, kommen aber eher selten hin. Das wurde gestern endlich nachgeholt. Baustellen, Sportplätze: Wie wir feststellen durften, hat Reinickendorf einiges zu bieten.

Anlass der »Muckefuck«-Dienstreise in das Tempelhof des Nordens: die beliebte Reihe SPD-Fraktion vor Ort. Gestern nun hatte Jörg Stroedter, SPD-Vizefraktionschef und Mitglied des Abgeordnetenhauses für Reinickendorf-Mitte und -West, zu Vor-Ort Terminen in seinen Wahlkreis geladen. Wobei auch Stroedters Ehefrau mit von der Partie war, Innen- und Sportsenatorin Iris Spranger (logisch, ebenfalls SPD).

Um das vorwegzunehmen: Wir waren ganz entzückt von dem Berliner Power-Paar. Herzlich willkommen beim »Muckfuck«-Spezial: »Hart aber Herzlich« – zwei Stunden Reinickendorf mit Jörg Stroedter und Iris Spranger.

Mit der seit der Wahl vom lästigen linksgrünen Ballast befreiten SPD rückt für den Senat wieder die ganze Stadt in den Mittelpunkt politischen Handelns. »Sie merken das ja schon, wo die einzelnen Senatorinnen und Senatoren herkommen«, sagte eine gut gelaunte Innensenatorin zu »Muckefuck«. »Wir haben gesagt: Wir sind für die gesamte Stadt da. Und so betrachten wir auch jedes Thema und das muss auch so sein.«

Spranger weiter: »Ob das bei mir ist mit innerer Sicherheit oder bei den Radwegen und, und, und, das muss alles gesamtstädtisch betrachtet werden, ist doch klar.« Hier in Reinickendorf, wo Radwege auch schnell wiederzurückgebaut werden, sind wir also goldrichtig. Das merken wir nach der ersten Kontaktaufnahme mit der – kein Witz – vor Ort tatsächlich herzlichen Senatorin sofort.

Und was sagt der Ehemann zur gesamtstädtischen Betrachtung? »Das liegt jetzt nicht daran, dass das bei den Linken keine Rolle gespielt hat, bei den Linken hat es auch eine große Rolle gespielt«, sagte Stroedter. Und: »Das Problem in dem Fall waren die Grünen. Diese Koalition ist gescheitert an den Grünen. Die Grünen sind völlig konzentriert auf ihr Innenstadtpublikum, alles andere interessiert die nullkommanull. Deshalb haben sie auch hier in Reinickendorf verloren.«

Wenn man es genau nimmt, haben die Sozialdemokrat*innen in Reinickendorf bei der Wiederholungswahl im Februar zwar in fünf von sechs Wahlkreisen prozentual stärker verloren als die Grünen. Aber an so einem Tag wollen wir mal nicht klugscheißerisch sein.

Gleich an der ersten Station, der Baustelle des denkmalgeschützten Paracelsus-Bades, zeigte sich jedenfalls, wie gut das Paar zusammenarbeitet. »Ein Standort, den es so in Berlin nicht noch mal geben wird«, wie Spranger sagte. »Dieses Bad ist nicht nur schon lange geschlossen, sondern für die Daseinsvorsorge wichtig«, sagte Stroedter.

Bis 2024 soll die Schwimmhalle saniert sein. Sportsenatorin Spranger, die auch für die Berliner Bäderbetriebe zuständig ist, versicherte: »Der Aufsichtsrat ist auch hinter, das liegt auf unserer obersten Prioritätenliste, wir lassen uns das jede Aufsichtsratssitzung erläutern, weil wir ja hier noch ein bisschen mehr vorhaben.«

Bild des Tages

Ganz herzlich - die Innensenatorin mit Peter Hahn. Foto: nd/Mischa Pfisterer

Von »klaren Aufträgen« an den anwesenden Bäderbetriebe-Vorstand Johannes Kleinsorge sprach Spranger: »Wir wollen auch den Außenbereich neu machen.« Ein Außenbecken soll her, »wo man auch schwimmen lernen kann«, ergänzte Stroedter. Denn »wir wissen, dass hier ganz viele Kleinkinder wohnen, die noch nicht schwimmen können«, ergänzte Spranger. »Am Geld wird es mit Sicherheit nicht scheitern«, ergänzte Stroedter. Er ist auch Sprecher für Wirtschaft, Energie, Betriebe und Landesbeteiligungen seiner Fraktion.

Doch genug geplaudert. Weiter gings zur nächsten Station: dem Vereinsheim des Reinickendorfer Fußball-Clubs Liberta 1914 am Uranusweg. Beim RFC Liberta – aktuell auf Tabellenplatz 15 von 16 in der Herren Kreisliga A Staffel 4 – muss dringend ein Sportplatz erneuert werden. 1,8 Millionen soll das kosten. Spranger beruhigte: »Völlig normal.« Und versprach: »Ich werde mir das anschauen, weil wir haben natürlich auch immer Mittel, die wir dann in solchen Situationen vergeben.« Denn: »Der Sport ist bei der Daseinsvorsorge ganz, ganz oben.«

Außerdem bereite sie ja gerade die Fußball-Europameisterschaft 2024 vor. »Für die Euro 24, habe ich gesagt, möchte ich kleinen Vereinen über Spenden die Möglichkeit bieten, auch kleine Fußballfelder für so etwas mit hinzubekommen.« Glückliche Gesichter bei den Mitgliedern. »Du nimmst das bitte mit«, so Sprangers Aufforderung an den Ehemann.

Dann berichtete die Sportsenatorin noch von »einer sehr, sehr netten Mail, einer persönlichen Mail aus Ihrem Verein«. Dabei wendete sie sich an das »Herzstück« des Vereins, Peter Hahn. »Mir wurde gesagt, dass Sie genau 50 Jahre hier tätig sind, und ich möge nicht kommen, ohne dass ich Ihnen etwas mitbringe«, sagte Spranger. Präsente – immer gut.

In dem Fall gab es einen von diesen quietschbunten Berlin-Buddy-Bären, den Spranger ganz vorsichtig für Hahn auspackte. »Von mir persönlich als Dank für Ihre Arbeit«, sagte die SPD-Politikerin. Um nicht unerwähnt zu lassen, dass sie derlei Bären auch schon als Vorsitzende der Innenminister*innenkonferenz der Länder verschenkt hat.

Alle glücklich. Auch Peter Hahn. »Ich bin sehr erfreut darüber und habe auch damit nicht gerechnet. Und wenn die hohe Politik, so würde ich das jetzt mal nennen, würdigt, was in den kleinen Vereinen an Sozialarbeit gemacht wird, ist das für mich eine sehr gute Geschichte«, sagte Hahn. »Ich wünsche euch einen schönen Tag«, sagte die Sportsenatorin. Und dann war sie auch schon weg.

Der »Muckefuck« war ganz verhuscht von so viel Wohlfühlatmosphäre – und hat deshalb völlig vergessen zu fragen: nach Tasern und Abschiebungen, nach der ablehnenden Haltung zur Vergesellschaftung von Wohnungsbeständen und dem Radwege-Harakiri. Das war gestern in Reinickendorf bei der SPD sehr weit weg.

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Aufgemuckt

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Innen- und Sportsenatorin
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