Muckefuck. Berlin. Links. Ungefiltert.

Freitag, 28. März 2025

Wer hilft »Moabit hilft«?
Land Berlin will Hilfsverein für Geflüchtete aus seinen Räumlichkeiten werfen

Berlin ächzt:
Abgeordnete streiten über Verkehrschaos in der Hauptstadt

Prozesswelle rollt an:
Hunderten Heimstaden-Mieter*innen droht die Räumung
Patrick Volknant
Guten Morgen,

wir alle kennen das Gefühl: Manchmal verschwindet etwas, das wir immer für selbstverständlich gehalten haben, und dann stellen wir fest, wie sehr wir doch darauf angewiesen waren. Mit seinen Kürzungen im Sozial- und Bildungsbereich spart Berlins schwarz-roter Senat gerade dort, wo es richtig weh tut. Es trifft Kinder mit besonderem Förderungsbedarf, queere Menschen, Geflüchtete. Und nun steht im Ortsteil Moabit eine weitere Organisation vor dem Aus, die sich seit über einem Jahrzehnt in der Hauptstadt etabliert hat. Um Kürzungen geht es dieses Mal allerdings nicht – denn sie kostet dem Land eigentlich keinen Cent.

»Wir sind es, die dieser Stadt einen Gefallen tun – nicht umgekehrt«, sagt Diana Henniges zum »Muckefuck«. Seit 2013 unterstützt die studierte Historikerin mit ihrem Verein »Moabit hilft« Geflüchtete dabei, in Berlin anzukommen und sich in die Gesellschaft einzufinden. Dabei finanziert sich die Organisation ausschließlich aus Spenden und Stiftungsgeldern. Doch jetzt scheint Henniges am Ende ihrer Kräfte. »Wenn man uns hier nicht haben will, dann lassen wir es eben sein«, sagt sie nicht ohne Trotz. »Wir haben alle Jobs, in die wir zurückkehren können.«

Seit zehn Jahren ist Henniges mit ihren Kolleg*innen an der Turmstraße 21 in Moabit zuhause. Laut Helferin schauen hier Tag für Tag rund 60 Menschen vorbei: von Jugendlichen, die mit Freund*innen herumalbern, bis hin zu älteren Herren, die sich zum gemeinsamen Kaffeetrinken treffen. »Wir sind mehr als nur eine Kleiderkammer und Asylberatung«, sagt Henniges. Doch zum 1. Juni soll mit alledem Schluss sein: Die landeseigene Berliner Immobilienmanagement GmbH (Bim), der das Gebäude an der Turmstraße gehört, möchte, dass »Moabit hilft« auszieht.

Für den rund 250 Quadratmeter großen Standort fehlt dem Verein seit 2020 ein gültiger Mietvertrag. Versuche, sich mit der Bim auf einen neuen Vertrag zu einigen, seien immer wieder gescheitert, so Henniges. Der Verein sei hingehalten, nach und nach in »die Rolle des Bittstellers« gedrängt worden und dass obwohl »Moabit hilft« zahlreiche Sanierungsmaßnahmen in dem heruntergekommenen Gebäude vorgenommen habe. Henniges spricht von offenliegenden Kabeln, die beseitigt werden mussten, vom Streichen und Verputzen der Wände, von renovierten Fliesen und einer neuen Küche. Alles auf Kosten des Vereins.

Die Miete habe »Moabit hilft« trotz fehlendem Vertrag immer bezahlt, sagt Henniges. Erst als die Bim vor rund einem Jahr per Brief mitteilte, dass es keinen neuen Mietvertrag mehr geben werde und die Helfer*innen das Gebäude räumen müssten, habe man die Miete zwischenzeitig einbehalten. Für einen neuen Standort fehlt der Organisation hingegen das Geld. »Wir haben gesucht, aber es ist alles unbezahlbar«, sagt Henniges. »Dass wir als ›Moabit hilft‹ natürlich nicht nach Köpenick gehen können, macht es nicht einfacher.«

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Uff: Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) muss sich einiges an Kritik für das A100-Chaos gefallen lassen | Foto: dpa/Jens Kalaene

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Was genau das Land Berlin an der Torstraße vorhat, weiß womöglich noch nicht einmal die Bim selbst. Auf RBB-Anfrage verweist sie ganz allgemein auf das Ziel, die Berliner Verwaltung in landeseigenen Gebäuden unterzubringen. »Damit leisten wir auch einen wichtigen Beitrag zur Konsolidierung des Berliner Haushalts«, wird ein Sprecher zitiert. Henniges erzählt, dass das Land schon länger den »Masterplan« verfolge, auf dem alten Krankenhausgelände rund an der Torstraße ein Zentrum für Gesundheit und Soziales entstehen zu lassen. Nur halt ohne »Moabit hilft«.

Um »Moabit hilft« vor dem Rausschmiss zu retten, warb Henniges zuletzt in der Politik für Unterstützung. Mit SPD-Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe habe sie von Angesicht zu Angesicht gesprochen: »Sie sagte, sie würde sich dem annehmen.« Von Mittes Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger erhalte der Verein keine Antwort mehr, nachdem diese sich mit der Bim zur Zukunft des Gebäudes besprochen habe.

»Wenn man uns genug Zeit gegeben und einen Nachmieter präsentiert hätte, wäre das ja in Ordnung gewesen«, sagt Henniges. So aber befürchtet die Helferin vermeidbaren Leerstand an einem Ort, der vielen Menschen im Kiez das Leben erleichtere. Gut möglich, dass es dann wie beim ersten Mal laufe, als »Moabit hilft« von seinem ersten Standort auf dem ehemaligen Krankenhauskomplexes in den neuen hat umziehen müssen, sagt Henniges. »Das alte Gebäude stand danach vier Jahre lang leer.«

Einen kleinen Abschied, den Berlin höchstwahrscheinlich besser verkraften wird als den Verlust von »Moabit hilft«, hat auch der »Muckefuck« noch zu verkünden: Nach drei tollen Jahren bei »nd« werde ich die Zeitung zum Ende des Monats verlassen und habe heute (zumindest vorerst) zum letzten Mal die Ehre, euch einen frischen »Muckefuck« zu servieren. Ich hoffe, meine Braukünste haben euch gemundet – und dass ich euch das ein oder andere mal zum Schmunzeln bringen konnte.

Schwört, euch niemals für die Siebträgermaschine zu verraten:

Patrick Volknant
Auch wir Journalist*innen müssen unsere Bohnen verdienen:
Ich trage zur Kaffeekasse bei!

Was heute noch wichtig ist:

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Aufgemuckt

»Es ist richtig, dass die A100-Brücke am Dreieck Funkturm in einem besorgniserregenden Zustand ist.«

Ute Bonde (CDU)
Verkehrssenatorin

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Sarah Yolanda Koss

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Und später:

Heute, 28. März um 19 Uhr
Rote Ella
Buttmannstraße 1a, 10369 Berlin
Eintritt frei

Ausstellungseröffnung: 100 Jahre rote Agitprop-Truppen in Berlin

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Video des Tages

Gnadenlos traurige Verdrängungs-Hymne: Dido – Thank you | Quelle: YouTube/Dido

»Klassentreffen« ist ein Podcast über Klasse, Krise und Kultur mit Olivier David. Jeden Monat neu auf
dasnd.de/klasse


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