Muckefuck. Berlin. Links. Ungefiltert.

Montag, 12. Mai 2025

Dagegen, aber wie?
Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung (BBNS) protestiert nicht nur, sondern macht auch Vorschläge

Neue Wege beim Vorkaufsrecht:
Eine Neuköllner Hausgemeinschaft setzt große Hoffnungen in den Bezirk

Keine Waffen im Wedding:
Über 1500 Menschen demonstrierten gegen Aufrüstung in der Hauptstadt
David Rojas Kienzle
Guten Morgen,

Querulanten, Nörgler, Blockierer – wenn Linke sich gegen Regierungshandeln stellen, wird ihnen gerne vorgeworfen, sie würden keinen konstruktiven Beitrag zu Debatten leisten. Sich im scheinbar rationalen tagtäglichen Wahnsinn gegen etwas zu stellen und nicht mit dem Strom zu schwimmen, ist aber meist verdammt richtig. Kann man eine »rationale« Debatte über Seenotrettung führen? Wie viele Zwangsräumungen in die Obdachlosigkeit sind in Ordnung? Ist es vertretbar, Bomben auf Krankenhäuser abzuwerfen? Aus einer Position ohne wirkliche Gestaltungsmacht, bleibt oft nichts anderes übrig, als erst einmal radikal Opposition zu üben.

Was aber, wenn Protest nicht nur »dagegen« ist? Das Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung (BBNS) richtet sich zwar gegen den »leichtsinnigen und unbedachten Imperativ des Bauens um jeden Preis«, und demonstriert konsequent gegen Bauprojekte, die einer klimagerechten Stadtentwicklung entgegenstehen. Aber es entwickelt auch Gegenvorschläge, um den Bedarf an zusätzlichem Wohnraum mit den Herausforderungen zusammenzubringen, die die voranschreitende Klimakatastrophe mit sich bringt.

Dieser konstruktive Protest bleibt aber ohne Konsequenzen. Zum Tag der Städtebauförderung hat das BBNS einen kurzen Film vorgelegt, in dem es vier Beispiele zeigt, in denen Bauvorhaben gegen Bedenken aus der Zivilgesellschaft durchgesetzt wurden. »Wir hatten Alternativvorschläge erarbeitet. Hier hätte ohne weiteres aufgestockt werden können, die gleiche Anzahl an Wohnungen. Es hätte sozial und ökologisch verträglich gebaut werden können«, sagt Kirsten, die in Friedrichshain ihrem grünen Innenhof nachtrauert, der zugebaut wurde.

Auch aus Pankow und Hellersdorf berichten Aktivist*innen von durchgesetzten Bauprojekten. Und in Buch bedroht das »Neue Stadtquartier Buch – Am Sandhaus« ein Moor. »Wenn ich die Bürgerbeteiligung seit 2021 Revue passieren lasse, dann muss man aus heutiger Sicht sagen, dass das durchweg eine Farce ist«, sagt Christoph, ein Anwohner dazu. Keiner der vorgebrachten Einwände sei beachtet worden.

Bild des Tages

Beim Lesen gegen das Vergessen auf dem Bebelplatz lasen Schriftsteller*innen und Schauspieler*innen aus Werken, die von den Nazis 1933 verbrannt wurden | Foto: nd/andreas Fritsche

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nd die.Woche
Trotz Frust wollen die Aktivist*innen weitermachen und für Kompromisse kämpfen. Diese Kompromissbereitschaft wünschen sie sich auch von Behörden: »Ich wünsche mir, dass Senat und Wohnungsbaugesellschaften die Anwohner nicht von vornherein als Feinde betrachten«, sagt Britta von der Initiative »Grüner Kiez Pankow«. Der »Muckefuck« bewundert die Geduld der Aktivist*innen und drückt die Daumen. Das Video findet ihr hier, oder weiter unten.

Mit einem konstruktiven Vorschlag tritt auch die Hausgemeinschaft der »Richibrauni« an die Öffentlichkeit. Das Neuköllner Wohngebäude soll verkauft werden, die Bewohner*innen fürchten Luxussanierung und Verdrängung. Aber sie haben auch eine kleine Hoffnung: Das Vorkaufsrecht, mit dem Bezirke Grundstücke entweder selber oder zugunsten eines gemeinwohlorientierten Dritten kaufen können. Der Bezirk Neukölln prüft aktuell, ob er die Option ziehen kann und begibt sich dabei auf Verwaltungs-Neuland. Er will das Vorkaufsrecht darauf stützen, dass in der »Richibrauni« illegale Sanierungsmaßnahmen durchgeführt wurden, was bisher noch nie versucht wurde. Über die Hintergründe und Herausforderungen, ob das ein Modell für die Zukunft sein kann sowie eine Kundgebung der Bewohner*innen lest ihr hier mehr.

Ein Modell, dem man öfter begegnen wird, nimmt aktuell in Wedding seinen Anfang: »Pflugscharen zu Schwertern«. Der zum Deutschen Giganten der Kriegsindustrie Rheinmetall gehörende Konzern Pierburg hat dort ein Werk. Bisher wurden dort Autoteile produziert. Angesichts der »Zeitenwende« wird dort ab jetzt umgesattelt. In Zukunft sollen dort Munitionsteile »Made in Berlin« produziert werden. Aber dagegen regt sich antimilitaristischer Protest, der Fahrt aufnimmt. Unser Autor Peter Nowak war am Samstag auf einer Demonstration mit 1500 Menschen. Aufgerufen hatte die Basisgruppe Wedding der Linkspartei sowie sozialistische und kommunistische Organisationen wie »Hände Weg vom Wedding«. Welche Rolle die Palästina-Solidarität spielte und welche weiteren Protestaktionen in Berlin und bundesweit geplant sind, lest ihr hier.

Nörgelt gerne und viel


David Rojas Kienzle
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Unsere lebenswerte Stadt. Euer Auftrag. – Initiativen fordern echte Bürgerbeteiligung und eine nachhaltige Stadt | Quelle: YouTube, Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung

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