Muckefuck. Berlin. Links. Ungefiltert.

Dienstag, 10. Juni 2025

Mega-Event mit Haltung:
Der Karneval der Kulturen lockt hunderttausende auf die Straßen

Grabschändung in Lichtenberg:
Friedhof der Sozialisten mit Exkrementen beschmiert

Erfolgreiche Streiks:
Die Beschäftigten der CFM sind einem Tarifvertrag nah
David Rojas Kienzle
Guten Morgen,

für manche Muckefuck-Leser*innen war es sicherlich ein feucht-fröhliches Wochenende: Zum 27. Mal lockte der Karneval der Kulturen Hunderttausende auf die Straße. 68 Gruppen mit mehr als 4000 Akteur*innen zogen am Sonntag durch die Stadt – zum ersten Mal in Friedrichshain. Wegen einer Baustelle auf der ursprünglichen Strecke konnte der Umzug nicht wie gewohnt in Kreuzberg stattfinden. Weder der der Ortswechsel noch das mittelmäßige Wetter haben dazu geführt, dass der Andrang nachgelassen hat. Allein dem Umzug haben mehr als 750.000 Besucher*innen beigewohnt.

In der »Muckefuck«-Zentrale gehen die Meinungen zum Event auseinander. Als direkt betroffener Kreuzberger Anwohner kann mein Kollege Marten Brehmer der riesigen Party wenig abgewinnen: Zu laut, zu dreckig und die Späti-Bierpreis-Inflation macht ihm zu schaffen – findige Spätibetreiber*innen erhöhen rund um das Fest die Preise erheblich. Kollegin Lola Zeller macht selbst einen Bogen um den Karneval, Menschenmassen sind nicht ihr Ding. Dem kann ich mich nur anschließen.

Aber auch ohne aktive »Muckefuck«-Beteiligung ist der Karneval der Kulturen mehr als relevant. Denn bei so viel Exzess gerät allzu oft der nicht ganz so fröhliche Hintergrund der Entstehungsgeschichte des Karnevals in Vergessenheit: »Als der Karneval der Kulturen 1996 zum ersten Mal durch die Straßen Kreuzbergs zog, verstanden wir uns als anti-rassistische und anti-diskriminierende Antwort auf fremdenfeindliche Ausschreitungen, die mit den rassistischen Angriffen in Rostock-Lichtenhagen eine bestürzende Zäsur setzten«, schreiben die Initiator*innen auf ihrer Homepage.

Auch heute setzt der Karneval »sich klar gegen Rechtsextremismus und für eine freie, nachhaltige und friedliche Gesellschaft« ein. Mit dem großen Umzug am Pfingstsonntag soll der kulturelle Reichtum der Stadt in den öffentlichen Raum getragen werden. Vor dem Hintergrund der hochgerüsteten Festung Europa, dem Rechtsruck und zunehmender faschistischer Gewalt in Berlin und dem Rest der Republik ist jedes Zeichen, das in eine andere Richtung zeigt, begrüßenswert, findet der »Muckefuck«.

Bild des Tages

Voll, voller, Karneval der Kulturen: Dieses Jahr fand der Umzug zum ersten Mal auf der Frankfurter Allee statt | Foto: dpa/Anette Riedl

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Darüber, dass es in Berlin nicht immer weltoffen zugeht, berichtet mein Kollege Andreas Fritsche. Auf dem Friedhof der Sozialisten sind dutzende Grabsteine von Unbekannten mit Exkrementen beschmiert worden. Jürgen Hoffmann vom Förderkreis Erinnerungsstätte der deutschen Arbeiterbewegung Berlin-Friedrichsfelde ist sicher: »Das ist eine gezielte Aktion.« In Friedrichsfelde haben zahlreiche Antifaschist*innen, wie Hans und Hilde Coppi oder Greta Kuckhoff, ihre letzte Ruhestätte, auch die Grabplatten von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg sind dort.

Es gibt aber auch positive Entwicklungen am Friedhof: Die Sanierung der Kanalstraße, die vom Haupteingang nach Norden führt, ist abgeschlossen. Aus einer rissigen Asphaltstraße hat der Bezirk Lichtenberg einen Weg mit Betonpflaster gemacht. Jetzt kann dort Regenwasser versickern. Was das Ganze gekostet hat und was der Bezirk spart, könnt ihr hier lesen.

Einen Erfolg können die Beschäftigten der Charité-Tochtergesellschaft Charité Facility Management GmbH (CFM) verbuchen. Nach 48 Streiktagen rückt ein Tarifvertrag in greifbare Nähe. Mit diesem sollen die CFM-Löhne stufenweise bis 2030 an das Niveau der Kolleg*innen angeglichen werden, die direkt beim landeseigenen Uniklinikum angestellt sind. Bislang waren die rund 3500 CFM-Beschäftigten wesentlich schlechter bezahlt: Die Lohnlücke beträgt der Gewerkschaft Verdi zufolge bis zu 700 Euro. Warum es aber noch immer Grund für weitere Tarifauseinandersetzungen gibt und welche Folgen der Streik-Erfolg hat, hat unser Arbeitskampf-Experte Christian Lelek hier für euch aufgeschrieben.

Einen guten Start in die verkürzte Woche wünscht euch
David Rojas Kienzle
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Was heute noch wichtig ist:

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Aufgemuckt

»Auf der einen Seite waren sie ihnen schutzlos ausgeliefert, auf der anderen Seite waren die Luftangriffe ihre einzige Perspektive auf das Ende der Zwangsarbeit.«

Thomas Irmer
Historiker

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Und später:

Foto: Yabayay Media / Antipode Films


16. Juni um 21:45 Uhr
Hofkino Berlin, Franz-Mehring-Platz 1
12403 Berlin

Hofkino: No Other Land

Dokumentarfilm von Basel Adra, Hamdan Ballal, Yuval Abraham und Rachel Szor
Palästina / Norwegen, 2024
OmU

Eine Kooperation mit nd, Hofkino Berlin und dem b-ware! Ladenkino

Basel Adra, ein junger palästinensischer Aktivist aus Masafer Yatta im Westjordanland, kämpft seit seiner Kindheit gegen die Vertreibung seiner Gemeinschaft durch die israelische Besatzung. Er dokumentiert die schrittweise Auslöschung der Dörfer seiner Heimatregion, wo Soldat*innen im Auftrag der israelischen Regierung nach und nach Häuser abreißen und ihre Bewohner*innen vertreiben. Der Film eines palästinensisch-israelischen Kollektivs vierer junger Aktivist*innen entstand als Akt des kreativen Widerstands auf dem Weg zu mehr Gerechtigkeit.
Einführung: Raul Zelik (nd)
Tickets vor Ort oder hier.

Video des Tages

Hier gibt's mehr zur Geschichte des Karnevals der Kulturen| Quelle: YouTube, OFFscreen - FredP

»Europa to go« ist ein Podcast, der dich mit ins »Herz« der EU nimmt. Begleite uns nach Brüssel und erfahre mehr über Institutionen wie das Europäische Parlament, was dort entschieden wird und warum dich das etwas angeht.

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