Muckefuck. Berlin. Links. Ungefiltert.

Freitag, 04. Juli 2025

Ohne Arbeit kein Lohn:
Tesla-Mitarbeiter unterliegt vor dem Arbeitsgericht

Bayern 2.0:
Berliner Senat plant neues Sicherheitsgesetz
Guten Morgen,

den »Muckefuck« zog es am Donnerstag raus nach Frankfurt (Oder). Den Hin- und Rückweg teilten wir mit etlichen Tesla-Mitarbeiter*innen (erkennbar an ihrer schwarzen Arbeitskleidung mit silbernem Schriftzug). Der RE1 hält unterwegs am Bahnhof Fangschleuse unweit der Gigafactory in Grünheide. Vor dem Arbeitsgericht in Frankfurt (Oder) wurde die Klage eines Produktionsmitarbeiters gegen seinen Arbeitgeber, Tesla in Grünheide, verhandelt.

Der Mitarbeiter sah sich um 6300 Euro Lohn betrogen, den er seiner Auffassung nach in den Monaten Oktober und November 2024 zu unrecht nicht bekommen habe. Die IG Metall hatte zuletzt davon berichtet, dass Krankschreibungen von Tesla-Beschäftigten durch das Unternehmen immer wieder infrage gestellt worden seien. Dann sei der Lohn oft monatelang nicht gezahlt und stattdessen die Offenlegung der Diagnosen gefordert worden.

Im gestern verhandelten Fall wird der Tesla-Mitarbeiter wohl aber auf seinen Lohn verzichten müssen. Das Gericht hat noch nicht endgültig entschieden, die Tendenz des vorsitzenden Richters war aber sehr eindeutig. Unstrittig war, dass der Kläger sehr oft krank gewesen ist. Wie der Richter mitteilte, war der Tesla-Mitarbeiter seit Mai 2024 nicht mehr auf Arbeit gewesen. Für eine andauernde Krankheit muss der Arbeitgeber sechs Wochen lang den vollen Lohn ausgleichen, danach zahlt die Krankenkasse, allerdings nur 70 Prozent vom Bruttolohn. Wenn man innerhalb von sechs Monaten mit Unterbrechungen insgesamt mehr als sechs Wochen wegen derselben Krankheit ausfällt, muss ebenfalls die Krankenkasse einspringen.

Der Mitarbeiter hatte aber insgesamt für 54 Zeiträume Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen eingereicht, immer wieder Erstbescheinigungen von wechselnden Ärzt*innen. Seine Argumentation: Es handle sich nicht um eine längeren Krankheit, sondern um voneinander verschiedene Krankheiten. Und so habe er auch Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Die vom Kläger für den Zeitraum von Juli bis November offengelegten Diagnosen fielen jedoch oft ähnlich aus.

Unter Berufung auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2023 sah der vorsitzende Richter die Beweiskraft der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen als erschüttert an. Der Kläger hätte näher erklären müssen, warum es sich bei den wiederkehrenden Diagnosen nicht um die selbe Krankheit handelt. Er hätte dafür durchaus die Ärzt*innen involvieren können. Ein Schreiben der Krankenkasse, das die Argumentation des Tesla-Mitarbeiters stützt, habe, so der Richter, darauf keinen Einfluss. Schließlich hätte die Krankenkasse ein Eigeninteresse, kein Krankengeld zu zahlen.

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Bereits am Mittwoch demonstrierte in Berlin das Taxi-Gewerbe. Die Fahrer*innen fordern auch für die Plattforunternehmen wie Uber und Bolt Mindestentgelte. | Foto: dpa/Carsten Koall

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Folgt man den Darstellungen der IG Metall, läuft es vor Gericht oft auch anders ab. Demnach hätte die Gewerkschaft für ihre Mitglieder bei Tesla rund 160.000 Euro im Zusammenhang mit einbehaltenen Löhnen infolge von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit zurück erstritten.

Die IG Metall hatte zudem mehrmals auf die aus ihrer Sicht problematischen Arbeitsbedingungen hingewiesen: Im Rahmen einer Umfrage, an der 1200 Beschäftigte teilgenommen hatten, gaben 80 Prozent an, überlastet zu sein. Zur eigenen Durchsetzung von besseren Arbeitsbedingungen, etwa mittels eines in der Automobilbranche üblichen Tarifvertrags, fehlt der Gewerkschaft nach wie vor die Stärke in der Gigafactory.

Das besagte Urteil vom Bundesarbeitsgericht scheint indes in der Arbeitswelt merkliche Wellen zu schlagen. Bei der Modekette Zara in München meldeten laut der Gewerkschaft Verdi mehrere krankgeschriebene Mitarbeiter*innen, dass ihnen ohne vorherige Mitteilung Löhne nicht gezahlt wurden. »Doch während das Urteil den rechtlichen Rahmen klar definiert, scheint Zara diesen nun bis an die Schmerzgrenze – und darüber hinaus – auszureizen«, erklärt Verdi. In Berlin seien derlei Vorgänge aber noch nicht beobachtet worden.

Die Berliner Politik beschäftigt sich derweil mit dem Vorhaben des Berliner Senats, die Befugnisse seines Sicherheitsapparates – zuvorderst der Polizei – zu erweitern. Zur geplanten Reform des Allgemeinen Sicherheits- und Ordungsgesetzes (Asog) hat meine Kollegin Jule Meier mit dem Linken-Abgeordneten Niklas Schrader gesprochen. Er kommt zu dem Schluss: »Wenn die Novelle so kommt, wie angekündigt, dann kann man sagen, dass Berlin zu Bayern aufschließt.« Welche problematischen und zum Teil auch guten Maßnahmen konkret angedacht sind, lest ihr hier.

Ob mit oder ohne Arbeit: Bleibt gesund!
Christian Lelek
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