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Unbefristete Ausbeutung Bundesverfassungsgericht kippt Berliner Hochschulgesetz
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Befristete Aufenthaltserlaubnis Streit über möglichen Umzug der Friedensstatue in Moabit
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Abschied auf Zeit Der »Muckefuck« geht in die Sommerpause
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Karlsruhe verkündet den Rückschritt: Die Entfristungsregelung im Berliner Hochschulgesetz ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts verfassungswidrig. Das geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung des Ersten Senats der Verfassungswächter hervor. 2021 hatte der damalige rot-rot-grüne Senat die Regelung auf den Weg gebracht, die dem grassierenden Befristungswesen an Berliner Hochschulen Einhalt gebieten sollte. Alle wissenschaftlichen Mitarbeiter, die bereits promoviert haben, sollten nach dem Willen der damaligen Mehrheit im Abgeordnetenhaus eine unbefristete Stelle erhalten. Beschäftigte auf Stellen, die durch Drittmittelgeber finanziert werden, sollten von der Regelung ausgeschlossen bleiben.
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Aktuell sind Dauerstellen an den Unis rar gesät. Mehr als 80 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiter an deutschen Hochschulen sind befristet angestellt – bei allen Beschäftigten auf dem deutschen Arbeitsmarkt sind es gerade mal 7 Prozent. Zwischen vier und sechs Jahre werden die Stellen von Postdoktoranden zumeist befristet. Für die »Nachwuchs«-Wissenschaftler, die überwiegend das 30. und nicht selten auch schon das 40. Lebensjahr überschritten haben, bedeutet das: Stetes Bangen um die berufliche Zukunft, Unsicherheit in der Lebens- und Familienplanung und Konformitätsdruck, um es sich nicht mit denjenigen zu verscherzen, die regelmäßig über die Weiterbeschäftigung entscheiden.
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Ob wirklich freie Forschung unter diesen Bedingungen stattfinden kann? Die obersten Robenträger der Bundesrepublik sehen kein Problem. Mehr noch: »§ 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG greift in das Grundrecht der Beschwerdeführerin auf Freiheit der Wissenschaft gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ein«, schreiben die Verfassungsrichter in der Begründung zur Entscheidung. Denn Wissenschaftsfreiheit bedeute auch, dass sich die Hochschulen ihr Personal selbst aussuchen dürften. »Die angegriffene Regelung nimmt den Hochschulen die Möglichkeit, eigenverantwortlich zu entscheiden, ob und welche promovierten wissenschaftlichen Mitarbeiter sie nach erfolgreichem Abschluss der Qualifikationsphase weiter beschäftigen«, heißt es im Beschluss weiter. Es darf also weiter und ganz eigenverantwortlich ausgebeutet werden. »Das riecht danach, dass die Wissenschaftsfreiheit die Hochschulen vom Arbeitsrecht befreit«, wirft Kollege und Gewerkschaftsredakteur Christian Lelek ein.
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Zumindest hat man sich in Karlsruhe den Humor erhalten. So ist in der Urteilsbegründung weiter die Rede von »nachteiligen Folgen für die Förderung des akademischen Nachwuchses, welche die Möglichkeit zur generellen Befristung der Beschäftigungsverhältnisse des wissenschaftlichen Personals auf Qualifikationsstellen erfordert«. Wie viele wissenschaftliche Mitarbeiter sich wohl finden, die sich davon benachteiligt fühlen, unbefristet beschäftigt zu werden?
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Reale Auswirkungen wird das Urteil wohl nur wenige haben. Denn in Kraft getreten ist die Entfristungsregelung im Hochschulgesetz nie. Immer wieder verschoben erst der rot-grün-rote, dann der schwarz-rote Senat das Datum, nach dem die Regelung hätte umgesetzt werden müssen. Zuletzt hatte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) sogar angekündigt, die Regelung direkt ganz aus dem Hochschulgesetz zu streichen. Stattdessen sollen nun neue unbefristete Stellenkategorien an den Unis eingeführt werden. Eine Pflicht, diese dann aber auch zu besetzen, wird es nicht geben.
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Besonders groß war der Widerstand gegen die Entfristung in den Reihen der Professoren. Viele von ihnen pochten auf ihr Recht, Mitarbeiter nach eigenem Gusto regelmäßig austauschen zu können. Unter den acht Mitgliedern des ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts befinden sich übrigens sechs Lehrstuhlinhaber. Hier einen Interessenskonflikt zu insinuieren, liegt dem »Muckefuck« als Bollwerk journalistischer Objektivität selbstverständlich fern.
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Bild des Tages
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Trübe Stimmung: Berliner mit Regenschirm auf dem Hiroshimasteig| Quelle: dpa/Soeren Stache
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Befristet ist aktuell auch das Dasein von Ari. Ari – auf diesen Namen ist die bronzene Frauenfigur am Unionplatz in Moabit getauft, die als Mahnmal an die sogenannten Trostfrauen im Zweiten Weltkrieg erinnern soll. 200.000 koreanische Frauen verschleppte das japanische Militär, um sie zur Prostitution zu zwingen. Seit 2020 mahnt die Friedensstatue gegen dieses Verbrechen und sexuelle Gewalt in kriegerischen Konflikten weltweit.
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Doch das Denkmal ist einigen ein Dorn im Auge. Die japanische Regierung lobbyiert seit Jahren gegen Ari. Mit Erfolg: Zuletzt verlangte das Bezirksamt Mitte, dass die Statue abgerissen werden soll. Ein Gericht entschied aber, dass Ari noch bis September an ihrem angestammten Platz am Unionplatz unweit des Westhafens verbleiben darf. Und danach? Glaubt man dem Bezirksamt, soll die Friedensstatue danach hundert Meter weiter auf das Grundstück einer Genossenschaft ziehen. Doch es gibt nur ein Problem: Eben jene Genossenschaft will von dem Deal nichts wissen. Zwar habe man das Grundstück als Ausweichfläche angeboten aber die Präferenz der Genossen sei, dass das Denkmal einfach am aktuellen Standort verbleibe. Auch der Korea-Verband, der das Trostfrauen-Mahnmal errichtete, will weiter für einen Verbleib am jetzigen Standort kämpfen. Die Hintergründe der Mitte-Posse mit internationaler Ausstrahlungskraft könnt ihr hier nachlesen.
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Zum Abschluss möchten auch wir noch eine Befristung verkünden, wenn auch diesmal mit Garantie auf Wiederaufnahme: Ab dem kommenden Montag treten die Muckefuck-Redakteure in ihren jährlichen Sommerschlaf und stellen das Newsletter-Schreiben zeitweise ein. Aber fürchtet euch nicht: Im September stehen wir wieder auf und bringen weiterhin (zumeist) frohe Kunde. Bis dahin wünschen wir allen treuen Muckefuck-Lesern einen schönen Sommer und empfehlen die Hauptstadtseiten des »nd«, die euch weiter auf dem Laufenden halten.
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Erhält sich sein unbefristetes Recht auf Meckern und Zetern Marten Brehmer
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Auch wir Journalist*innen müssen unsere Bohnen verdienen:
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Was heute noch wichtig ist:
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Neue Unterführungen zu den S-Bahnsteigen in Zeuthen und Eichwalde gibt es jetzt. Es braucht noch einen Straßentunnel, weil die Schranken an der Übergängen oft und lange geschlossen sind.
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Andreas Fritsche
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Aufgrund weiterhin niedriger Ausbildungszahlen wird die Einführung einer Ausbildungsplatzumlage in Berlin immer wahrscheinlicher. »nd« liegt der schwarz-rote Gesetzentwurf vor.
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Christian Lelek
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»Die Friedensstatue soll auf ein privates Grundstück abgeschoben werden. Die Verantwortung wird damit abgegeben«
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