Muckefuck. Berlin. Links. Ungefiltert.

Freitag, 19. Dezember 2025

Senat verurteilt:
Unrechtmäßige Einflussnahme auf den Volksentscheid »Berlin Werbefrei«

Denkmalschutz als Rettung:
Naturfreunde wollen SEZ per Klageverfahren erhalten
Guten Morgen,

mit der neuesten Klatsche für den amtierenden Senat. Verpasst bekam die Berlin Landesregierung sie am Mittwoch in Form eines Urteils durch den Verfassungsgerichtshof des Landes. Das Verfassungsgericht stellte fest, dass der Senat die Kosten für eine Umsetzung des Volksbegehrens »Berlin Werbefrei« zu hoch angesetzt hatte

Der Senat war in seiner amtliche Kostenschätzung davon ausgegangen, dass eine Umsetzung des Begehrens Mindereinnahmen von bis zu 325 Millionen Euro pro Jahr zur Folge haben würde. 48,5 Millionen Euro würden davon auf die Senatsverwaltungen und die Bezirke und bis zu 276 Millionen Euro auf die Werbewirtschaft entfallen.

Die hätte der Senat in seine Berechnung aber gar nicht mit einbeziehen dürfen, so das Urteil des Verfassungsgerichtshofs. Die amtliche Kostenschätzung solle die Abstimmungsberechtigten lediglich darüber informieren, welche Kosten auf die öffentliche Hand zukommen würden. Nun sei denkbar, dass der festgestellte Verstoß Einfluss auf das Abstimmungsverhalten oder zuvor schon auf die Abgabe der Unterschrift durch die Berliner*innen haben wird, erklärte das Gericht.

»Die zu Unrecht einbezogenen Mindereinnahmen der privaten Werbewirtschaft machen einen Anteil von über 80 Prozent der Gesamtsumme der amtlichen Kostenschätzung aus, weshalb hier von einem Einfluss auf die Entscheidung der Abstimmungsberechtigten auszugehen ist«, teilte das Gericht weiter mit. Mit dem Urteil geht die Verpflichtung des Berliner Senats einher, eine neue Kostenschätzung anzufertigen.

Fadi El-Ghazi, Rechtsanwalt und Vertrauensperson des Volksbegehrens, begrüßte das Urteil. Der Verfassungsgerichtshof habe dem Senat in Bezug auf die amtliche Kostenschätzung klare Grenzen gesetzt. »Die Kostenschätzung darf nicht durch die Aufnahme rechtswidriger Positionen dazu benutzt werden, um mit überhöhten Kosten Stimmung gegen ein Volksbegehren zu machen«, erklärte El-Ghazi am Donnerstag.

Bild des Tages

Am Donnerstag verabschiedete das Abgeordnetenhaus bei seiner letzten Situng den Haushalt für die Jahre 2026 und 2027. Vor der Tür protestierten 6000 Menschen gegen Sparmaßnahmen. | Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Anzeige

nd bleibt hoffnungsvoll
Die Initiative »Berlin Werbefrei« will Außenwerbung in Berlin eindämmen, insbesondere große elektronische Werbemonitore. Sie will dabei Werbung nicht gänzlich verbieten, sondern ein »ausgewogenes Verhältnis zwischen gestalterischen Aspekten, dem Informationsinteresse der Bevölkerung und den Interessen der Wirtschaft« herstellen. Mit einem Gesetz will die Initiative die Vorschriften für Werbeanlagen in der Berliner Bauordnung verändern.

Vom 9. Januar bis zum 8. Mai sammelt »Berlin Werbefrei« Unterschriften. Wenn 171.000 gültige zusammenkommen, können die Berliner*innen bei der Abgeordnetenhauswahl 2026 über das Gesetz abstimmen. Bei seiner Sitzung am 4. Dezember hatte das Abgeordnetenhaus es abgelehnt, den Gesetzentwurf der Initiative selbst zu beschließen.

Und dem Senat droht womöglich noch weiterer gerichtlicher Ungemach. Denn auch der Streit um den Erhalt des ausgedienten Sport- und Erholungszentrum (SEZ) in Friedrichshain dürfte bald die Rechtsprechung beschäftigten. Als am Donnerstagmorgen die Abrissarbeiten am Außenbereich fortgesetzt wurden, kündigten die Berliner Naturfreunde eine Klage vor dem Berliner Verwaltungsgericht an. Die Naturfreunde wollen das SEZ unter Denkmalschutz stellen lassen und es so erhalten. »Wer sowas nicht unter Denkmalschutz stellt, der handelt nach unserer Einschätzung verantwortungslos«, sagte Uwe Hiksch von den Naturfreunden am Donnerstag.

Das Vorgehen, welches sich auf eine historische Radrennbahn in Bayern als Vorbild beruft, unterläuft die Pläne des Berliner Senats und seiner Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM). Die wollen nur einige markante Träger erhalten, und den Rest des Gebäudes für den Neubau von 680 Wohnungen abreißen. Die Hälfte der Wohnungen sollen Sozialwohnungen werden. Ob die Pläne der Naturfreunde mit dem Neubau von Wohnungen kompatibel sind und welche weiteren Pläne die Umweltorganisation in der Schublade hat, lest ihr bei meinem Kollegen Andreas Fritsche.

Eine wichtige organisatorische Info zum Schluss: Der »Muckefuck« verabschiedet sich hiermit bis zum Beginn der zweiten Kalenderwoche 2026 in die Feiertagsruhe. Die nächste Ausgabe werdet ihr dann am 5. Januar in eurem Postfach finden. Bis dahin wünschen wir euch – wo möglich – ein paar erholsame Tage.

Wir lesen uns im neuen Jahr!
Christian Lelek

Auch wir Journalist*innen müssen unsere Bohnen verdienen:
Ich trage zur Kaffeekasse bei!

Was heute noch wichtig ist:

Jugendstrafanstalt Berlin: Rap als Ventil

Rap als Therapie: Acht junge Männer schreiben in der Jugendstrafanstalt Berlin Songs über Haft, Liebe und Angst. Vor einem ausgewählten Publikum rappen sie – ein seltener Moment hinter Gittern.

Jule Meier

Berlin: Haushalt der Widersprüche

Auf 45,5 Milliarden Euro wächst der Berliner Haushalt 2026 an – Rekordniveau. Trotzdem sieht der Finanzplan Kürzungen vor. Die Opposition fordert höhere Steuern, um die Einnahmen zu stärken.

Marten Brehmer

Brandenburg: Schnellzug zum Kohleausstieg

Brandenburgs Landtag stritt am Donnerstag über Erfolge beim Strukturwandel im Lausitzer Braunkohlerevier. Die Neuorientierung ist passabel angelaufen. Aber es bleibt einiges zu tun.

Andreas Fritsche

Aufgemuckt

»Für uns ist das Therapie und Horizonterweiterung.«

Hip-Hop-Crew haftBARS
aus der Jugendstrafanstalt Plötzensee

Das könnte dich auch interessieren:

NSU-Prozess: Von nichts was gewusst

Große Hoffnungen ruhten auf dem zweiten NSU-Prozess. Denn der erste Prozess hat zahllose Fragen offengelassen. Derzeit aber sieht es so aus, als würden die Hoffnungen enttäuscht. Das liegt auch an den Zeugen.

Joachim F. Tornau

Von der Gewalt der Geschlechterordnung

Jeden zweiten Tag versucht ein Mann in Deutschland, eine Frau zu töten – in aller Regel seine Partnerin. Dies belegt eine kriminologische Studie, an der die Sozialwissenschaftlerin Sabine P. Maier mitgewirkt hat .

Interview: Tanja Röckemann

Ukraine-Krieg: »Direkte Hilfe vor Ort«

Seit 2022 bringt Alexander Weiß zusammen mit einem Netzwerk von Freunden private Spenden in die Ukraine. Dazu zählt auch fehlende Ausrüstung für die Armee, von Schuhen über Verbandsmaterial bis hin zu Drohnen.

Interview: Karsten Krampitz

Anzeige

nd die.Woche

Und später:

Heute, 19. Dezember 18 bis 20 Uhr
Café (hinterer Raum) in der Regenbogenfabrik
Lausitzer Straße 21a
10999 Berlin

Gutscheintauschaktion

Menschen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen, eine Bezahlkarte haben und mehr Bargeld brauchen, können im Rahmen der Tauschaktion Supermarkt-Gutscheine gegen Bargeld eintauschen.

Umgekehrt können Menschen ihr Bargeld solidarisch gegen Gutscheine eintauschen. Laut Veranstalter gibt es »Gutscheine von Aldi, dm, Edeka, Kaufland, Lidl, Rewe, Rossmann, Wunschgutschein (ikea, mediamarkt, h+m, uber,....) sowie apple pay und Netto.com.«

Weitere Infos: https://nein-zur-bezahlkarte.de/how-to/

Video des Tages

Alte Werbespots von 1999/2000 | Quelle: YouTube/meinevideoclips

»Klassentreffen« ist ein Podcast über Klasse, Krise und Kultur mit Olivier David. Jeden Monat neu auf
dasnd.de/klasse


Podcast: »Klassentreffen«

Muckefuck wurde dir empfohlen und
du möchtest es abonnieren?

Deine Tasse Muckefuck ist leer, für heute.
Wir machen dich morgen früh wieder wach
und freuen uns über dein Feedback.
custom instagram facebook custom youtube custom website