Muckefuck. Berlin. Links. Ungefiltert.

Freitag, 08. Dezember 2023

Kostbares Kupfer:
BVG will Kabelklau verhindern, 2023 kam es bereits zu mehr als 60 Diebstählen


Warnstreik der Landesbeschäftigten:
Angestellte der Feuerwehr können nun eingeschränkt mitstreiken

Ausbeutung von Reinigungskräften:
Schulreinigung wird immer noch nicht rekommunalisiert
Nora Noll
Guten Morgen,

wollt ihr euch umorientieren? Sehnt ihr euch nach neuen Herausforderungen, nach einem sinnstiftenden und aufregenden Berufsleben? Dann ist diese Stelle genau das Richtige für euch: Die BVG sucht eine oder einen »Expertin/Experte zur Prävention von Kabeldiebstählen U-Bahn (w/m/d)«, in Voll- oder Teilzeit.

Das klappt nämlich bisher nicht so gut. Erst gestern nahm die U6 ihren regulären 5-Minuten-Takt wieder auf, nachdem sie Ende November Opfer eines brutalen Kabeldiebstahles geworden war. Die Übertäter*innen schnitten die Kupferkabel nicht einfach heraus, nein, sie rissen sie mit voller Gewalt aus ihrem Kabelbett, was die Reparaturen laut BVG erheblich erschwerte.

Die Kabeldiebe müssen ziemlich verzweifelt gewesen sein. Man kann laut Schrott24.de mit vier bis sechs Euro pro Kilogramm Kupfer rechnen – um mit der Kabel-Hehlerei auf einen höheren Betrag zu kommen, müsste man schon mehrere Meter unauffällig entwenden. Hinzu kommt die Lebensgefahr, wenn neben Starkstrom-Leitungen mit Bolzenschneidern hantiert wird. Doch obwohl einiges gegen diese Form der Geldbeschaffung spricht, kommt es in Berlin (wie in ganz Deutschland) regelmäßig zu Kabeldiebstählen. Die BVG registrierte nach eigenen Angaben bis Ende November mehr als 60 Fälle in ihren Anlagen, wodurch ein reiner Sachschaden von 900.000 Euro entstand. Wie so oft kostet das Reparieren mehr als das Zerstören.

Über Reparaturen würde sich auch die Berliner Feuerwehr freuen – besonders, was die Personallage angeht. Seit langem klagt insbesondere der Rettungsdienst über einen nicht endenden Ausnahmezustand, rund 1000 benötigte Stellen sind nicht besetzt. Absurderweise sieht die Lage so schlimm aus, dass die Angestellten im Rettungsdienst nicht einmal streiken können, um auf ihre Überlastung aufmerksam zu machen.

Eigentlich waren die Landesbeschäftigen anlässlich der Verhandlungsrunden zum Tarifvertrag der Länder für Mittwoch und Donnerstag zum Warnstreik aufgerufen – einschließlich der Feuerwehr-Angestellten. Doch eine Notdienstvereinbarung zwischen Verdi, der Gewerkschaft der Polizei und der Feuerwehr sieht eine notwendige Zahl von Rettungswägen vor, die im Einsatz sein muss, um die medizinische Versorgung zu gewährleisten. Wenn dann noch (wie derzeit ja überall) die Hälfte der Notfallsanis selbst mit Erkältung oder Corona zuhause bleiben muss, kann die Streikbeteiligung nur klein ausfallen.

Ein anonymer Angestellter der Feuerwehr sprach mit dem »Muckefuck« über die Notdienstvereinbarung: »Es gibt das Streikrecht, ich bin in einer Gewerkschaft, aber ich darf nicht streiken«, ärgerte er sich. Der Verdi-Betriebsgruppenleiter bei der Berliner Feuerwehr, Stefan Ehricht, zeigte sich gegenüber dem »Muckefuck« hin- und hergerissen: »Es schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Auf der einen Seite bin ich Feuerwehrmann, es ist meine Aufgabe, Menschen zu retten«, verteidigte er die Einschränkung des Streiks. »Gleichzeitig bin ich Gewerkschafter«, und als solcher wünsche er sich natürlich einen Arbeitskampf, der den Arbeitgeber tatsächlich unter Druck setze.

In einem sind sich der Notfallsanitäter und Ehricht einig: Es muss sich etwas ändern. Denn während die Feuerwehr es gerade so schafft, die Abgänge nachzubesetzen, wird der Bedarf immer größer. »Wir haben eine wachsende Stadt und eine alternde Gesellschaft«, sagt Ehricht. Die Einsatzzahl der Rettungswägen hätte sich in den vergangenen 20 Jahren verdreifacht. Dazu käme der Klimawandel: »Da muss man sich nur die Waldbrände anschauen.« Deshalb müsste es schlicht mehr Personal geben – und der Beruf dafür attraktiver werden. Neben den allgemeinen Forderungen der Landesbeschäftigen nach einer Lohnerhöhung von 10,5 Prozent und mindestens über 500 Euro fordert Ehricht flexiblere Arbeitszeiten und eine Anpassung der Angestellten-Gehälter an die der Beamt*innen.

Bild des Tages

Ein beeindruckendes Beispiel, wie effizienter Kupferkabelklau aussehen kann. Die Polizei kontrollierte den Wagen in Erlangen, weil die schweren Kabel den Wagen "fast am Boden" schleifen ließen. | Foto: dpa/Polizeipräsidium Mittelfranken

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Angestellt beim Land, mit Tarifvertrag und allem Pipapo? Davon können die Reinigungskräfte, die Berlins Schulen vom Dreck der Berliner Blagen säubern, nur träumen. Sie arbeiten meistens für private Subunternehmen und das bedeutet: Unbezahlte Überstunden, extreme Arbeitsverdichtung und unsichere Verträge. Das erzählte gestern Engin Catik, Direktor der Johanna-Eck-Schule in Tempelhof, im Sozialausschuss des Abgeordnetenhauses. Er, der Deutsche Gewerkschaftsbund und eigentlich auch alle sich als links oder zumindest sozial verstehende Parteien fordern seit Jahren eine Rekommunalisierung der Schulreinigung. Doch der schwarz-rote Senat will erst einmal Kosten berechnen, um herauszufinden, ob die freie Wirtschaft nicht doch ein unschlagbares Schnäppchen darstellt. Mein Kollege Moritz hat sich den Ausschuss für euch angeschaut.

Sparen will auch die Degewo – und ihren Mieter*innen der Großraumsiedlung Wansassener Straße in Tempelhof-Schöneberg keinen Strom für ihren selbstorganisierten Weihnachtsmarkt mehr zu Verfügung stellen. »Alles ist weg bei uns, wir haben hier nichts mehr«, klagte der 83-jähriger Erwin Diener meiner Kollegin Lola sein Leid. Die Bewohner*innen wollen nun einen Notweihnachtsmarkt auf die Beine stellen. Die herzzerreißende Geschichte lest ihr hier.

Wer weiß, vielleicht finanzieren die Degewo-Mieter*innen ihr Weihnachtswunder ja über Kupfer-Verkauf. What comes around goes around, und so.
Macht keine Faxen,
Nora, Team Hauptstadtregion
Auch wir Journalist*innen müssen unsere Bohnen verdienen:
Ich trage zur Kaffeekasse bei!

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Jule Meier

Klimaaktivistin & Fließbandmalocher

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Zu rein informativen Zwecken: So lassen sich Kupferkabel recyceln. | Quelle: YouTube

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